Untersuchungskommission zu Ritueller Gewalt in den Niederlanden beschlossen

Am 13.10.2020 entschied die zweite Kammer in den Niederlanden einstimmig, eine Untersuchung zu Ritueller Gewalt einzuleiten und daran auch Betroffene zu beteiligen. Die Entscheidung geht auf eine Radio-Berichterstattung zweier investigativer Journalist.innen von vpro Argos Radio 1 in den vergangenen Monaten zurück, die Berichte und Hinweise von 140 Betroffenen erhalten hatten.

Die zweite Kammer in den Niederlanden ist das Repräsentantenhaus, vergleichbar mit dem Deutschen Bundestag oder dem Nationalrat in Österreich oder in der Schweiz.

Der Wortlaut des beschlossenen Antrags findet sich hier (in niederländischer Sprache) [Link zum Web-Archiv]. Die Übersetzung via deepl.com lautet in etwa so:


Die zweite Kammer stellt nach einer Aussprache fest:

  • dass die Hulsenbek-Kommission in den neunziger Jahren rituelle Missbräuche untersucht hat und dass dies nun schon mehr als 25 Jahre her ist;
  • dass es Menschen gibt, die berichten, “Überlebende rituellen sexuellen Missbrauchs” zu sein, und dass sich diese Menschen von der Regierung, der Polizei und der Justiz nicht ernst genommen fühlen;
  • dass sadistische Kinderpornographie existiert und wiederholt bei Pädosexuellen gefunden wurde;
  • dass in Deutschland im Auftrag des Nationalen Beauftragten gegen Kindesmissbrauch (UBSKM) eine unabhängige Forschung über Rituelle Gewalt gegen Kinder durchgeführt wird;
  • fordert die Regierung auf, eine unabhängige Studie über Art und Ausmaß des organisierten sadistischen Kindesmissbrauchs in Auftrag zu geben, die die Erfahrungen von Überlebenden rituellen Missbrauchs und ihrer Therapeuten einbezieht, damit die Ergebnisse in die wirksame Untersuchung dieser Netzwerke einfließen können.

Antragsteller.innen: Abgeordnete Van den Berge, Van Nispen, Kuiken


Wenn Sie niederländisch können und uns helfen können, die obige Übersetzung zu verbessern, melden Sie sich gerne mit entsprechenden Korrekturen bei uns. infoportal-rg@posteo.de
Links zu den Radiosendungen von vpro Argos Radio 1 auf Niederländisch:

Begleittext zur 6. Sendung von Radio Argos:

Glasscherben und dunkle Rituale: Argos untersucht satanischen rituellen Missbrauch (27. Juni 2020)

Im vergangenen April begann Argos eine Untersuchung unter Opfern von organisiertem sexuellem Missbrauch. Mehr als zweihundert Menschen teilten ihre Geschichten durch einen Online-Fragebogen, der mit Hilfe mehrerer Experten erstellt wurde. Die Teilnehmer sprachen offen über Missbrauch in Sportvereinen und Internaten, über Loverboys und Sekten. Einhundertvierzig der Geschichten würden – wenn sich die Erklärenden bei der Polizei melden würden – als “rituell” abgestempelt werden. Das ist sexueller Missbrauch mit sehr makabren Seiten. Satanische Handlungen bei Kerzenlicht, Folter und sogar die rituelle Opferung von Babys werden erwähnt.

In den Niederlanden ist geregelt, dass Meldungen mit rituellen Merkmalen frühzeitig an die LEBZ – die Nationale Expertengruppe Sonderfälle der Polizei – weitergeleitet werden müssen. Das Ziel der LEBZ ist es, falsche Anschuldigungen zu verhindern. Sie behaupten, dass weder in den Niederlanden noch anderswo auf der Welt jemals Beweise für rituellen Missbrauch gefunden wurden.  Unter Rechtspsychologen herrscht die Meinung vor, dass die schrecklichen Erinnerungen der Opfer nicht authentisch sind, sondern in der Therapie besprochen werden. Ist das wirklich der Fall? Sollten ihre Aussagen nicht genauso ernst genommen werden wie jedes andere Anzeichen von schwerem, sexuellem Missbrauch?

Argos recherchierte ein Jahr lang die Geschichten von Opfern, analysierte die teilweise schockierenden Überschneidungen in ihren Erzählungen und testete die Annahmen über rituellen Missbrauch mit Experten aus dem In- und Ausland.

Die Infoportal-Redaktion hat die Berichterstattung von vpro Argos Radio 1 seit langem verfolgt und arbeitet an Übersetzungen dieser Sendungen. Teil 1 und 6 liegen bereits vor (siehe oben). Sobald die weiteren Überstzungen vom Sender autorisiert wurden, werden wir diese auch hier zur Verfügung stellen.