Historische Studie im Bistum Münster erwähnt rituelle Elemente
Am 13. Juni 2022 stellte Bischof Felix Genn in Münster eine Studie über sexualisierte Gewalt in seinem Bistum vor, die er zuvor bei einer unabhängigen Forschungsgruppe um den Historiker Professor Thomas Großbölting an der Universität Münster in Auftrag gegeben hatte. Untersucht wurde der Zeitraum von 1945 bis 2020, und die Studie enthält einige Hinweise auf rituelle Elemente bei den erfassten Berichten von sexualisierter Gewalt.
Das Missbrauchs-Gutachten für das Bistum Münster wirft ehemaligen und noch aktiven Bischöfen große Fehler und Versagen im Umgang mit Missbrauchsfällen vor, schrieb das katholische Online-Magazin “Kirche + Leben”. Der gesamt Text der Historiker-Kommission der Universität Münster ist hier als PDF im Volltext zu finden.
Unter anderem zählt das Gutachten diverse Formen von (Zitat) “Rituellen Elementen” ab Seite 354 auf. Wer die Schilderungen liest, bekommt einen Eindruck davon, wie vielfältig Formen der religiösen Aufladung von Gewaltsituationen sein können. Einige Beispiele geben wir im folgenden Absatz wieder – bitte überspringen Sie diesen, wenn Sie keine Gewaltschilderungen lesen wollen.
Es gibt Berichte davon, dass Beichten nackt abgelegt werden mussten, dass den Betroffenen Kreuze umgehängt oder sie während der Gewalttaten ihren Blick auf ein Kreuz an der Wand richten mussten. Andere Betroffene erzählten der Forschungsgruppe, dass Schilderungen von erlittener Gewalt während einer Beichte direkt zu Übergriffen des die Beichte abnehmenden Priesters führten. Außerdem seien sie als Kinder an verschiedenen eindeutig kirchlichen Orten misshandelt und teilweise an andere Täter weiter gegeben worden, es sei sogar Geld zwischen den mutmaßlichen Tätern dafür geflossen.
Manches lässt sich als “Einzeltaten” einzelner Priester oder Kirchenangehöriger kategorisieren, an anderen Schilderungen sollen mehrere Menschen beteiligt gewesen sein, die sich miteinander abgesprochen haben. Die Gutachterkommission fasst die Schilderungen auf Seite 358 wie folgt zusammen:
“Auf der Grundlage der uns vorliegenden Quellen konnten insgesamt drei Betroffene ermittelt werden, die gegenüber dem Bistum Münster im Hinblick auf Zeiträume in den 1950er, 1960er, 1970er und 1980er Jahren angeben, sexuellen und rituellen Missbrauch in einem ideologisch oder okkult überformten Netzwerk erlebt zu haben. Bei allen drei Betroffenen haben sich die Erinnerungen allerdings erst Jahrzehnte nach den mutmaßlichen Taten wieder eingestellt, dabei in zwei Fällen im Zusammenhang mit einer Traumatherapie, im dritten Fall im zeitlichen Umkreis eines weiteren traumatischen Erlebnisses. Seitens von Therapeut:innen und Ansprechpartner:innen des Bistums werden diese Wiedererinnerungen als von hoher Faktizität eingeschätzt. Da viele Berichte aber nicht durch Aussagen Dritter belegt werden können und häufig erst artikuliert werden, nachdem sich die Betroffenen aufgrund von Dissoziationen über Jahrzehnte nicht an die Taten erinnern konnten, ist die Möglichkeit der Überprüfbarkeit der jeweiligen Schilderungen kaum gegeben. Doch selbst wer Zweifel und Skepsis am Narrativ des Satanismus hegt, sollte damit die Glaubwürdigkeit der Kernaussage, dass sexueller Missbrauch und schwere Gewalttaten stattgefunden haben, nicht insgesamt in Frage stellen.”