Kwa Sizabantu: Neuer Untersuchungsbericht aus der Schweiz und Vernetzung von Betroffenen

Im Juni 2022 veröffentlichte die Schweizer Rechtsanwaltskanzlei Capt Zollinger einen Untersuchungsbericht zu einer Schweizer Gemeinde und einer Schule, die bis 2019 zur Mission Kwa Sizabantu aus Südafrika gehörten. Wir hatten im Herbst 2020 über Ermittlungen gegen Kwa Sizabantu in Südafrika berichtet.

Der neue Untersuchungsbericht [1] stellt Berichte von Betroffenen und misshandelten ehemaligen Schülerinnen und Schülern zusammen. Die Aussagen bezogen sich überwiegend auf Ereignisse bis zum Jahr 2002.

Wörtlich heißt es in der Einleitung zu diesem Bericht:

“Die von der Mission vertretene Lehre führte im Alltag der Gemeinde und der Schule zu Grenzüberschreitungen und teilweise schweren Missbräuchen in religiöser, psychischer, körperlicher und sexueller Hinsicht. Es war die Rede von einer Theologie der Angst, von fehlendem Persönlichkeitsschutz, von Blossstellungen, von induzierten Schuldgefühlen, von einer Verhörpraxis und einem Bekennungsdruck, von einer Kultur der Denunziation, der Manipulation und der Drohungen, von körperlichen Züchtigungsritualen, von Unterdrückung der Frauen, von Diabolisierung zwischengeschlechtlicher Kontakte, von Übersexualisierung und Tabuisierung, von Missachtung der Intimität. Darüber hinaus gibt es Hinweise auf sexuelle Belästigungen und Vergewaltigungen durch eine Lehrperson und selbst auf schwersten sexuellen Missbrauch durch einen ehemaligen Präsidenten der damaligen Missionswerke Kwasizabantu Schweiz und Domino Servite sowie mehrere Seelsorger.” [2]

Die Autor*innen des Berichtes weisen darauf hin, dass sie die einzelnen Aussagen der Betroffenen, die sich bei der Praxisgemeinschaft gemeldet haben, nicht im Detail prüfen konnten. Aber sie gehen von grundsätzlicher Plausibilität aus, wie sie erklären:

“Rückmeldungen geben zunächst nur die subjektive Sicht der Betroffenen wieder. Die Praxisgemeinschaft hat diese Aussagen der Betroffenen entgegengenommen, ohne sie in tatsächlicher Hinsicht zu hinterfragen oder im Hinblick auf deren Glaubhaftigkeit zu überprüfen. Es wäre deshalb verfehlt, die in der Würdigung der Gesprächsprotokolle der Praxisgemeinschaft wiedergegeben Rückmeldungen als feststehende Tatsachen zu werten. Anderseits spricht viel für die Glaubhaftigkeit der Aussagen der Betroffenen, so insbesondere die teilweise sehr ausgeprägten Realkriterien.” [2]

“Dies bedeutet indessen nicht, dass die Aussagen – geschweige denn in den Detailschilderungen – wahr sein müssen. Erinnerungsverfälschungen, Suggestionen oder andere Beeinflussungsmöglichkeiten müssten mit in die Bewertung einbezogen werden. Und schliesslich müsste auch der für die beschuldigten Personen geltenden Unschuldsvermutung Rechnung getragen werden.

Andererseits bleibt aber auch die Tatsache zu berücksichtigen, dass verschiedene Betroffene gleiche oder jedenfalls in den Grundstrukturen ähnliche Erlebnisse geschildert haben. Daraus darf jedenfalls geschlossen werden, dass in der Schule und in der Gemeinde gewisse Grundtendenzen vorhanden waren, welche von den Betroffenen als Grenzverletzungen und Missbräuche empfunden worden sind.” [3]

Die Aussagen der Betroffenen beziehen sich überwiegend auf den Zeitraum bis 2002. Im Jahr 2019 sagten sich die Schweizer Gemeinde und die Schule inhaltlich und organisatorisch von der zuvor bestehenden engen Verbindung an die südafrikanische Mission Kwasizabantu los [zur Schreibweise: Fußnote 4]. Der vorliegende Untersuchungsbericht ist ein Schritt der Aufarbeitung ihrer Geschichte. Zitat der Autor*innen des Untersuchungsberichts:

“Schon vor Vorliegen des abschliessenden Ergebnisses der Untersuchung haben sie [gemeint sind die heutigen Verantwortlichen der Gemeinde und der Schule, Anmerkung der Infoportal-Redaktion] das begangene Unrecht uneingeschränkt anerkannt, gegenüber den Betroffenen ihr Mitgefühl ausgedrückt, sie in aller Form um Entschuldigung gebeten und ihnen bei der therapeutischen oder rechtlichen Aufarbeitung der negativen Erlebnisse Hilfe angeboten. Aus Sicht der Autoren besteht keine Veranlassung, an der Aufrichtigkeit der heutigen Führungsgremien zu zweifeln.”

Offen bleibt die Frage, warum es von 2002 bis 2019 gedauert hat, während laufend Vorwürfe öffentlich wurden, bis die organisatorische Trennung vollzogen war. [5]

Der Schweizer Untersuchungsbericht schildert in anonymierter Form viele Beispiele für spirituelle, psychische, physische und sexualisierte Formen von Gewalt zusammen, von Zwangsheiraten bis zur zwanghaften Trennung von Männern und Frauen und Unterdrückung von Sexualität, von einem Klima der Denunziation und Schuldzuweisungen und “Schlagritualen” sowie schweren sadistischen und pädokriminellen Übergriffen.

Der Untersuchungsbericht besagt, dass manche Betroffene inzwischen Kontakt mit Beratungsstellen aufgenommen haben und dass es in ihrem Entscheidungsprozess steht, ob Strafverfolgungsbehörden eingeschaltet werden sollen. Weil die Ereignisse inzwischen 20 Jahre zurückliegen, werden viele Taten aber bereits verjährt sein.

Besonders interessant ist eine Abschlussbemerkung am Ende des Untersuchungsberichtes, denn so eine Trennung ist in vielen Gruppierungen und Gewaltkontexten zu beobachten, und sie ist Teil der Vertuschungsstrategie von Täterinnen und Tätern [1]:

“Immerhin ist anzumerken, dass gemäss den Schilderungen der Betroffenen einige Schüler von diesen Praktiken kaum etwas mitbekommen hatten (z.B. externe Schüler, Kinder einflussreicher Eltern, Familien aus anderem religiösem Umfeld, leistungsstarke Kinder, starke Persönlichkeiten, die sich wehrten); offenbar scheint es eine Unterteilung in «schlagbare» und «nicht schlagbare» Kinder gegeben zu haben.” [6]

Wer sich zu Kwasizabantu regelmäßig informieren möchte, kann folgenden Websites/Accounts folgen:

  • https://ksb-alert.com/ [Link zum Web-Archiv]
  • Dem Twitter-Account von @ComposerDan90 (Dr. Daniel Schricker, Aussteiger bei Kwasizabantu und Autor von Artikeln auf ksb-alert.com)
  • Dem Twitter-Account von @EBee40 (Erika Bornmann, Autorin und Aussteigerin, kommt auch in der TV-Dokumentation zu Wort). Sie hat das Buch “Mission of Malice” über ihre Zeit bei Kwa Sizabantu geschrieben. [7, 8]

Quellen:

[1] Der Schweizer Untersuchungsbericht von Capt Zollinger Rechtsanwälte steht hier zum Download bereit: https://ksb-alert.com/wp-content/uploads/2022/07/20220706-Schlussbericht-EGHO-und-CSL.pdf
[2] Untersuchungsbericht unter [1], Seite 2.
[3] Untersuchungsbericht unter [1], Seite 23.
[4] Wir verwenden mal die Schreibweise Kwa Sizabantu und mal Kwasizabantu. Das liegt an den Quellen, beide Schreibweisen werden öffentlich verwendet. Durch die Verwendung beider Schreibweisen wollen w
ir sicherstellen, dass Suchmaschinen entsprechende Fundstellen auweisen können.
[5] Details zu dieser Frage finden sich im Erlebnisbericht eines der Verantwortlichen für die Website ksb-alert.com, die kontinuierlich berichtet hat: https://ksb-alert.com/2022/07/22/beschimpft-verteufelt-aber-auf-dem-richtigen-weg/ [Link zum Web-Archiv]
[6] Untersuchungsbericht unter [1], Seite 25.
[7] Buch “Mission of Malice” von Erika Bornman: https://www.penguinrandomhouse.co.za/book/mission-malice/9781776096237 [Link zum Web-Archiv]
[8] Interview mit Erika Bornman bei youtube (auf Englisch): https://www.youtube.com/watch?v=BHskKR_cHbE

Weitere Informationen und Hintergründe: