Familiennetzwerke rund um Lügde

Am 28.4.2023 berichteten die Deutsche Presseagentur (dpa) und die „Welt” darüber, dass es rund um den Haupttäter auf dem Campingplatz in Lügde/NRW „Familiensysteme” gegeben habe, in denen viele Kinder sexualisiert misshandelt worden seien. Dies sei im „Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Kindesmissbrauch” (PUA) [1] im Düsseldorfer Landtag bekannt geworden.

Hintergrund: Auf dem Campingplatz in Lügde lebte ein Mann, der 2019 wegen unzähliger Fälle von Gewalt gegen Kinder zu 13 Jahren Haft mit anschließender Sicherheitsverwahrung verurteilt wurde. Er hatte mehrere ebenfalls verurteilte Mittäter und Mitwisser*innen. Bislang gilt der Tatkomplex Lügde nicht als Rituelle Gewalt, weil es keinen Hinweis auf eine Ideologie oder Religion gibt. Lügde steht aber für nachgewiesene jahrelange Misshandlung von Kindern unter den Augen von Campinplatzgästen und Jugendämtern, deshalb sind die Ermittlungen und Erkenntnisse aus Lügde für unser Infoportal interessant. Außerdem gab es diverse Ermittlungspannen, die gravierende Defizite in der Polizeiarbeit aufgezeigt haben. Wenn Sie sich für weitere Details zu dem Fall interessieren, finden Sie im Internet sehr viel Berichterstattung darüber.

Zurück zur aktuellen Meldung:

Im Untersuchungsausschuss des NRW-Landtages wurde am Freitag, 28.4.23, der Sozialdezernent des Jugendamts Northeim (Northeim) vernommen [2]. Er berichtete dem Ausschuss, seine Behörde habe der speziellen Ermittlungskommission zur Aufklärung des Tatkomplexes Lügde („BAO Eichwald“) schon im April 2019 einen achtseitigen Bericht über verdächtige Familienstrukturen zukommen lassen, zu denen der Haupttäter aus Lügde Kontakte gepflegt habe. In diesen „Familiennetzwerken” sollen „Angehörige und deren Freunde Kinder und Enkel über Jahre unentdeckt” sexualisiert ausgebeutet haben. Die Hinweise seien „besorgniserregend” gewesen, aber das Jugendamt habe befürchtet, dass sie juristisch nicht ausreichten, um die Kinder aus den Familien zu nehmen. Deshalb habe man die Polizei darauf aufmerksam gemacht und die Hinweise in die Ermittlungen einbringen wollen.

Die polizeiliche Ermittlungskommission zum Fall Lügde habe allerdings den Bericht des Jugendamtes Northeim „nicht ernsthaft genug verfolgt”, wird der SPD-Abgeordnete Andreas Bialas, Ausschussmitglied, Diplom-Pädagoge und Polizist, in den Presseberichten zitiert. Die Ermittler hätten den Eltern, die die Taten verneinten, zu schnell geglaubt. [2] In der „Welt” wird Bialas zitiert mit einem Schaubild, das mindestens 16 Kinder in diesem Familiensystem zeigte, die alle von der Gewalt betroffen gewesen seien. Es habe Hinweise darauf gegeben, dass Männer aus diesem Kompliz*innengeflecht sich gezielt Partnerinnen mit vielen Kindern ausgesucht hätten. [3]

Neben der Kritik an den Ermittlungsmethoden wies Bialas auch auf Defizite bei den Jugendämtern hin. Eine Große Anfrage der SPD habe offenbart, dass die Jugendämter in NRW ihre Arbeit sehr unterschiedlich auslegten und teilweise nicht gut oder gar nicht mit örtlichen Kinderschutzeinrichtungen vernetzt seien. [4]

Baustelle: Sollten Sie weitere Berichte zu diesen Netzwerken finden, freuen wir uns über einen Hinweis.

Quellen:

[1] Eigentlich meiden wir den Begriff „Kindesmissbrauch” (Erläuterung hier). In diesem Fall handelt es sich aber um den offiziellen Namen des Ausschusses.
[2] dpa, z.B. übernommen als Artikel auf rp-online (Rheinische Post) vom 28.4.23, „Zeugenbefragungen werfen Fragen auf” [Link im Web-Archiv], abgerufen am 8.5.23
[3] Artikel auf welt.de vom 28.4.2023, „Familien-Sex-Clan“ in Lügde – SPD bemängelt Versagen bei Polizei und Jugendämtern” [Link im Web-Archiv], abgerufen am 8.5.23
[4] Artikel auf sueddeutsche.de vom 27.4.23, „Missbrauch: SPD bemängelt Versagen bei Polizei und Ämtern” [Link im Web-Archiv], abgerufen am 8.5.23