Europol warnt vor global vernetzten “Kult-Communities” im Internet
Im Januar 2025 veröffentlichte Europol eine Warnung vor sogenannten “Kult-Communities”. Die Behörde hat diesen Begriff gewählt, um damit diverse Gruppierungen zu beschreiben, die digitale Plattformen nutzen, um extreme Gewalt und die Ausbeutung von Opfern zu normalisieren und damit Menschen zu radikalisieren. Diese Gruppen seien global vernetzt und formten ein Netzwerk, das Täter rekrutieren und potenzielle, häufig minderjährige Opfer auf spätere Gewalttaten vorbereiten solle, so Europol.
Zu diesem Zweck würden gezielt Videos und Aufnahmen extremer Gewalttaten geteilt und versendet. Das Material zeige schwerste Verletzungen und die sexuelle Ausbeutung von Kindern. Ziel sei die Desensibilisierung und Normalisierung von Gewalt, um soziale Normen zu brechen und spätere Straftaten einzuleiten. Es sei ein regelrechter Wettbewerb dieser Gruppen um die extremsten Darstellungen entstanden. Dabei würden sektenartige Mechanismen genutzt, in denen charismatische Führungspersonen durch Täuschung und Manipulation Gehorsam und Abhängigkeit von diesen Gruppen erzeugen. Zu Anfang seien es häufig Alltagsgespräche zum Aufbau von Vertrauen, dann folge eine Phase des “Love bombings” (besonders freundliche, zugewandte und positiv besetzte Nachrichten), um Bindung und Vertrauen zu erzeugen. Später werde diese Bindung dann ausgenutzt für Manipulation, psychologischen Zwang und Kontrolle.
Wer ist die Zielgruppe?
Insbesondere stünden Minderjährige und vulnerable junge Menschen zwischen 8 und 17 Jahren im Fokus dieser Gruppierungen. Ausdrücklich schreibt Europol von Jugendlichen aus dem LGBTQ+-Spektrum, kulturellen Minderheiten und jungen Menschen mit psychischen Schwierigkeiten.
Laut Europol werden diese Jugendlichen auf Onlineplattformen für Gaming und Streaming identifiziert und gezielt angesprochen (Stichwort “grooming”, Anbahnung von Straftaten durch das Aufbauen von Vertrauen). Zum Beispiel Onlineforen für Selbsthilfe und Unterstützung wurden laut Europol genutzt, um neue Opfer zu finden. Genau solche Foren würden von den Tätergruppen gezielt unterwandert. Dann locke man die Jugendlichen in private Chaträume und direkten, häufig verschlüsselten 1:1-Kontakt, zum Beispiel über Online-Messenger. Häufig würden dafür in der Anbahnungsphase auch persönliche Daten wie Telefonnummern und Adressen getauscht. Auch Namen und Adressen von Bekannten und Familienmitgliedern werden erfragt für spätere Erpressungen.
Die Folge: Lassen die Betroffenen sich zum Beispiel dazu manipulieren, selbst gewaltvolle oder peinliche Inhalte zu produzieren oder zu teilen, haben die Tätergruppen sie in der Hand. Laut Europol würden sie dann mit der Drohung erpresst, dass diese Inhalte an Bekannte oder Familienmitglieder der Opfer versendet oder gleich ganz veröffentlicht werden, wenn sie nicht zu weiteren Taten bereit seien.
Die Betroffenen isolieren sich immer mehr von ihren Vertrauenspersonen und schämen sich für die Geschehnisse. Ein Ausstieg erscheine ihnen oft unmöglich. Angriffe auf Familienmitglieder oder Unbeteiligte würden unter Erpressung begangen, teilweise auch Suizid oder Suizidversuche. Manchmal werde verlangt, dass die Betroffenen sich Namen oder Symbole der sie erpressenden Gruppen in die Haut ritzen als Zeichen der Zugehörigkeit und Loyalität.
Wer sind die Tätergruppierungen?
Die Ermittlungsbehörden der EU sehen Verbindungen solcher Taten in Communities von gewalttätigen politisch rechten Extremisten. Deren Führungspersonen streben den Zusammenbruch der mordernen Gesellschaften durch Terror, Chaos und Gewalt an, so Europol. Sie propagierten Amokläufe, Bombenattentate und andere terroristische Angriffe, heißt es in dieser Warnung.
Was kann dagegen unternommen werden?
Wenn der Kontakt zu solchen Online-Erpressungsgruppen früh identifiziert werde, seien pädagogische und polizeiliche Maßnahmen wirkungsvoll, schreibt Europol. Es werden folgende Anzeichen für genannt, die darauf hinweisen können, dass Jugendliche betroffen sind:
- Geheimhaltung von Online-Aktivitäten – plötzliches Verstecken von Handys, wenn jemand den Raum betritt, oder das Verwenden verschiedener Accounts unter verschiedenen Namen
- Rückzug und Isolation – plötzlicher Abbruch von Freundschaften, Distanzierung
- Emotionaler Stress – Gefühlsschwankungen, Zeichen von Angst oder Depression
- Interesse an schädlichen Inhalten – Faszination für extremistische Botschaften, Symbole, düstere Themen und Gewaltdarstellungen
- Veränderungen in der Sprache und Verwendung von Symbolen, die einen Code darstellen können
- Verstecken von körperlichen Folgen – das Tragen langärmeliger Kleidung in ungewöhnlichen Situationen, Merkmale von Wunden oder Verletzungen am Körper
Kommentar der Infoportal-Redaktion:
Leider sind diese Zeichen auch sehr oft Ausdruck ganz normaler und ungefährlicher Pubertätserscheinungen, wie es sie seit Jahrzehnten gibt, also schon lange bevor kriminelle Internetgruppen Jugendliche dazu verleitet haben, sich selbst zu verletzen oder andere anzugreifen. Das macht es schwer, die Zeichen richtig zu deuten und richtig zu reagieren. Es kommt darauf an, guten Kontakt zu den jungen Leuten zu halten und auf einer Vertrauensbasis aufbauen zu können, wenn man das Gespräch sucht.
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